Ihr schafft nicht primär mit Software Wert, interessiert euch aber für Agilität? Dann habe ich gute Nachrichten für euch: Eine agile Grundeinstellung ist in jeder Organisation möglich und es gibt sogar eine Zauberformel dafür.
Als ich das erste mal mit agilen Werten und Arbeitsweisen in Berührung gekommen bin, sind zwei Dinge passiert: A) Ich habe nicht viel verstanden und B) Mein Interesse an einer gleichsam wertschätzenden wie Wert schätzenden Arbeitsumgebung wurde geweckt! Über die letzten Jahre bin ich überzeugte Teilhaberin und Verfechterin einer agilen Arbeitswelt geworden und möchte euch rückblickend von den Transfermöglichkeiten berichten, die sich mir geboten haben.
Im Studium und bei der Arbeit als Facilitatorin und Coach bei mindmatters beschäftigt mich nämlich immer wieder die Frage, wie unterschiedliche Branchen, gerade auch solche abseits der Softwareentwicklung, Agilität für sich nutzen und definieren können. So viele Organisationen sehen in diesem Begriff eine Erlöserin für erkrankte Arbeitsprozesse und -umfelder. Diese Hoffnung geht häufig einher mit dem Wunsch nach einer schnellen und allgemeingültigen Lösung. Doch genau hier crasht der Traum: Auch wer agile Methoden anwendet, muss nicht zwingend eine Erleichterung in der Arbeit erfahren. Denn Agilität bietet eine Grundhaltung und Arbeitsmethoden an, aber die Übersetzung in unterschiedliche Arbeitsrealitäten ist Adaptionssache!
Agilität ist in der Welt der Softwareentwicklung entstanden und herangewachsen. Die agile Bewegung suchte neue Antworten auf komplexer werdende Probleme und fand diese in einfach formulierten Regeln und Annahmen, u.a. abgebildet im 2001 entstandenen agile manifesto. Aufgrund dieser branchenspezifischen Herkunft fiel und fällt es bis heute aber gerade Menschen und Organisationen außerhalb der Softwareentwicklung manchmal schwer, sich beispielsweise mit der häufig eben auch software-orientierten Sprache zu identifizieren. Natürlich gab und gibt es Versuche, einzelne Regeln, Frameworks oder Methoden zu übersetzen und in andere Kontexte zu übertragen. Das Problem dabei: Agilität ist ein komplexes Netzwerk zwischen Haltung und Methoden, das oft radikal mit Gewohntem bricht. Wenn man auf einen spürbaren Unterschied zielt, ist es schwieriger, nur eine Methode zu verwenden, ohne die Grundlagen verinnerlicht zu haben.
Die gute Nachricht: Werte und Methoden der agilen Welt können meiner Auffassung nach in jeder Organisation angewendet werden. Meine Zauberformel dafür heißt:
Zeit + Mut + Reflexion = Transfererfolg!
Z E I T: Eine Veränderung von lange Angelerntem kann sich ganz schön zäh anfühlen und noch dazu sind Erfolge manchmal erst nach einiger Zeit sichtbar. Etwa beim Aufbrechen von jahrelang einstudierten Hierarchien; Da ist viel Geduld nötig, bis man einen Unterschied spürt. Bis dahin – diese fatale Einstellung ist tief in unserer Gesellschaft verwurzelt – ist die natürlich stattfindende, aber zunächst nicht sichtbare Arbeit wertlos. Gerade deshalb fällt es vielen so schwer, für Veränderungsprozesse aktiv Zeit einzuplanen. Dabei hängt von der für das Verändern eingeplanten Zeit maßgeblich der Lernerfolg ab.
M U T: Es ist verständlich, dass Ungewohntes erschreckend wirken kann. Was man noch nicht kennt, könnte potentiell auch schlecht oder gar nicht funktionieren. Deshalb ist es so wichtig, aktiv mutige (wenn auch zunächst kleine) Schritte zu gehen und Dinge zu probieren, um dann hinterher herausfinden zu können, ob die Strategie nicht doch noch einmal adjustiert werden muss. Auch Mut ist also eine Grundbedingung für Lernen und Transfer.
R E F L E X I O N: Am besten gemeinsam. Wie passt das Ungewohnte, Neue eigentlich zu unserer Arbeit? Hat es uns gefallen und wenn nicht – woran könnte das liegen? Hat es uns geholfen? Strukturiert zu reflektieren, wie sich Abläufe, Regeln und Realitäten verändern, ist ein wichtiger Schlüssel, um bspw. Agilität aber auch andere unerforschte Bereiche kennenzulernen. Nur wer sich auf solche Retrospektiven einlassen kann, wird genau herausfinden, warum welche Elemente von veränderten Arbeitsprozessen passen oder nicht passen.
Um das alles zu verinnerlichen, habe ich persönlich auch ganz schön viel Geduld benötigt und – ja, so ist es meistens – jetzt im Nachhinein habe ich gut Reden.
Der spannendste Aspekt für mich aus meiner Kennenlernphase mit der Agilität ist ihre nachhaltige Strahlkraft auf meine eigene Haltung gegenüber Arbeit und Veränderungen. Sich in kleinen Iterationen Ungewohntem zu nähern und deshalb das Vertrauen aufzubauen, dass das in der Zukunft liegende nicht per se gruselig ist, habe ich für die Arbeit gelernt und wende es nun auch sonst überall an – klappt gut! :-)